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12.08.2025 14:09

Wenn das Spiegelbild tötet

Martin Schäfer Stabsstelle Hochschulkommunikation
Philipps-Universität Marburg

    Eine gespiegelte Aminosäure hemmt gezielt das Wachstum bestimmter Krebszellen – Marburger Forschende klären auf

    In der Natur kommen häufig Substanzen vor, die sich wie Bild zu Spiegelbild verhalten, wie z.B. die bekannte links- und rechtsdrehende Milchsäure. Forschungsteams der Universität Marburg und der Universität Genf haben nun herausgefunden, wie man mit einer Spiegelbild-Substanz gezielt das Wachstum bestimmter Krebszellen schwächen kann — und zwar mit der Aminosäure D-Cystein, die ein genaues Spiegelbild der natürlichen, Schwefel-haltigen Aminosäure L-Cystein ist. Darüber berichten die Forschenden unter der Leitung von Prof. Roland Lill vom Institut für Zytobiologie der Philipps-Universität Marburg im Fachmagazin „Nature Metabolism“ (DOI: https://doi.org/10.1038/s42255-025-01339-1).
    Im Gegensatz zu L-Cystein kann das Spiegelbild D-Cystein jedoch nicht zur Synthese von Eiweißmolekülen (Proteinen) in der biologischen Zelle verwendet werden. Die Forscherteams haben nun die genauen Mechanismen herausgearbeitet, wie das D-Cystein das Wachstum von Tumorzellen hemmt. Zunächst beobachtete die Genfer Gruppe von Prof. Jean-Claude Martinou, dass nur die Tumorzellen, in denen ein schon bekannter Cysteintransporter verstärkt in der Zellmembran vorhanden war, durch D-Cystein im Wachstum gehemmt wurden. In den meisten der getesteten Tumorzellen war dies tatsächlich der Fall, da dieser Transporter durch die Aufnahme von L-Cystein den Tumorzellen eigentlich Wachstumsvorteile verschafft.
    Warum das D-Cystein nach Aufnahme in die Zelle toxisch wirkt, war die Aufgabe des Marburger Labors um Roland Lill, der sich schon lange mit dem Prozess der biologischen Herstellung von sogenannten Eisen-Schwefel Proteinen beschäftigt. Das Labor fand, dass D-Cystein ein wichtiges Enzym blockiert, das normalerweise den Schwefel des L-Cysteins in Eisen-Schwefel Proteine einbaut, damit diese in der Zelle arbeiten können. Da viele Eisen-Schwefel Proteine lebenswichtige Funktionen ausüben, wie z.B. die DNA-Synthese, kann eine Zelle ohne diese Eisen-Schwefel Proteine nicht richtig arbeiten und geht deshalb zugrunde.
    Die Forscher konnten im Detail zeigen, wie das D-Cystein das Schwefel-freisetzende Enzym blockiert. Vereinfacht dargestellt übergibt das natürliche L-Cystein seinen Schwefel mit der „linken Hand“ an das Enzym ab. Beim Spiegelbild D-Cystein ist der Schwefel allerdings in der „rechten Hand“ und damit zu weit entfernt von der Empfängerposition im Enzym. Die Übertragung des Schwefels ist damit blockiert, und in der Folge können dann auch keine Eisen-Schwefel-Proteine entstehen.
    „Die Untersuchungen könnten Relevanz für die Tumortherapie bekommen“, kommentiert Lill. Erste Versuche an Mäusen im Genfer Labor haben gezeigt, dass D-Cystein das Wachstum von Tumoren auch am lebenden Tier signifikant hemmen kann. Jetzt wollen die Forscher testen, ob und wie die Substanz bei Krebserkrankungen eingesetzt werden kann.

    Bildtext: In der Abbildung zeigen Roland Lill (links) und Oliver Stehling
    exemplarisch, wie D-Cystein toxisch in Zellen wirkt: Normalerweise wird der gelbe Schwefel von der linken Hand (L) an eine Empfängerposition im Enzym (E) übertragen. Sitzt der gelbe Schwefel allerdings in der rechten Hand (R), ist die Entfernung zur Empfängerposition zu groß. Als Folge kann die für die Zelle lebenswichtige Übertragungsreaktion nicht stattfinden und die Zelle stirbt. Foto: Carina Beimborn; Bearbeitung: Roland Lill.

    Bild zum Download: https://www.uni-marburg.de/de/aktuelles/news/2025/zellbio


    Wissenschaftliche Ansprechpartner:

    Prof. Dr. Roland Lill
    Institut für Zytobiologie
    Philipps-Universität Marburg
    Tel.: 06421 28 66449
    E-Mail: lill@staff-uni-marburg.de


    Originalpublikation:

    Roland Lill, Oliver Stehling, Jean-Claude Martinou, et al, Cysteine impairs tumour growth by inhibiting cysteine desulfurase NFS1, Nature Metabolism (DOI: https://doi.org/10.1038/s42255-025-01339-1)


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten
    Medizin
    überregional
    Forschungsergebnisse
    Deutsch


     

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