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10.09.2025 17:18

Zellen des kleinzelligen Lungenkrebses kapern neuronale Synapsen

Anna Euteneuer Kommunikation und Marketing
Universität zu Köln

    Eine neue Studie zeigt, dass Krebszellen direkte Synapsen mit Nervenzellen formen um sich auszubreiten. Das Ergebnis könnte neue Therapiemöglichkeiten eröffnen die darauf zielen, diese Kommunikationslinien zu unterbrechen / Veröffentlichung in „Nature”

    Ein internationales Forschungsteam hat herausgefunden, dass die Zellen des kleinzelligen Lungenkrebses funktionale Synapsen mit Neuronen formen, wodurch sie effektiv die neuronalen Netzwerke des Körpers kapern, um schneller zu wachsen. Das Ergebnis beleuchtet eine neue Dimension der Krebsbiologie und eröffnet vielversprechende neue Therapiemöglichkeiten. Die Studie „Functional synapses between neurons and small-cell lung cancer” ist in Nature erschienen.

    Bislang wurden solche Synapsen nur in Hirntumoren beobachtet, die aus dem Nervensystem selbst entstehen. Die Entdeckung, dass sich ein Lungenkrebs in neuronale Schaltkreise einbinden kann, zeigt, wie tief sich Tumore in den Wirt integrieren, um zu wachsen und zu gedeihen. „Unsere Studie unterstreicht das alarmierende Ausmaß der Kommunikation zwischen Organismus und Tumor, und wie der Körper ihn auch noch unterstützt, als wäre er gesundes Gewebe“, sagt Studienkoordinator Dr. Filippo Beleggia aus der Abteilung Translationale Genomik.

    Ausgehend von einer Analyse genetischer Daten identifizierten die Forschenden eine Reihe von Genen, die mit der Synapsenbildung in Verbindung stehen. Daraufhin visualisierten sie das Vorhandensein von Synapsen zwischen Zellen des kleinzelligen Lungenkrebses und Neuronen in Zellkulturen und im Mausmodell. „Ich war verblüfft, als wir das Ausmaß der Neuronen sahen, die die Krebszellen kapern konnten”, sagt Seniorautor Professor Dr. Matteo Bergami, Forschungsgruppenleiter am Exzellenzcluster für Alternsforschung CECAD der Universität zu Köln. “Ich glaube, dieses Ergebnis wird die Medikamentenentwicklung transformieren und zu effizienteren Therapien führen, die eine Metastasierung des kleinzelligen Lungenkrebses im Gehirn verhindern.“

    Die Forschenden beobachteten die Synapsenkommunikation zwischen Neuronen und Krebszellen über zwei verschiedene Neurotransmitter: Glutamat and GABA. Des Weiteren entdeckten sie, dass die Krebszellen sich in der Gegenwart sensorischer oder kortikaler Neuronen schneller vermehrten. „Durch die Bildung synaptischer Verbindungen mit verschiedenen Arten von Neuronen zeigten die Krebszellen eine verblüffende Anpassungsfähigkeit zur Beschleunigung ihres Wachstums”, sagt Dr. Elisa Motori vom Institut für Biochemie, eine der Seniorautorinnen. „Es ist verlockend zu spekulieren, dass die Zellen des kleinzelligen Lungenkrebses nicht nur mit den Neuronen ‚plaudern‘, sondern auch wachstumsfördernde Ressourcen von ihnen erhalten.”

    Eine Unterbindung der durch Glutamat vermittelten Signale führte zu einer geringeren Tumorlast und längerem Überleben der Mäuse und zeigt somit einen vielversprechenden Angriffspunkt für eine medikamentöse Behandlung auf. Seniorautor Professor Dr. Christian Reinhardt von der Uniklinik Essen sagt: „Wir haben gezeigt, dass eine pharmakologische Unterbrechung der Kommunikation zwischen Krebszellen und Neuronen die Tumorkontrolle verbessern kann, und entsprechende Therapien mit Chemotherapie kombiniert werden können.”

    Die große internationale Forschungskollaboration wurde von den Laboren von Dr. Filippo Beleggia (Universität zu Köln), Professor Dr. Christian Reinhardt (Uniklinik Essen), Dr. Elisa Motori (Universität zu Köln), Professor Dr. Matteo Bergami (Universität zu Köln), Professor Dr. Silvio Rizzoli (Georg-August-Universität Göttingen) und Professor Dr. Max Anstötz (Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf) koordiniert, mit weiteren Schlüsselpartnern in Köln, München, Antwerpen und an der Stanford-Universität.

    Die Entdeckungen identifizieren mehrere therapeutische Möglichkeiten, vom Einsatz bereits erhältlicher Neurotransmitter-blockierender Medikamente bis hin zur Entwicklung völlig neuer Ansätze, die auf die Kommunikation zwischen Krebszellen und Nervenzellen abzielen. Das Forschungsteam untersucht weiterhin die molekularen Details dieser von synaptischen Verbindungen, eine Arbeit, die für die Optimierung von Behandlungsstrategien und die Identifizierung der vielversprechendsten therapeutischen Kombinationen entscheidender Bedeutung sein wird.

    Die Forschung wurde von der Deutschen Krebshilfe und der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) über den Sonderforschungsbereich 1399 – Mechanismen der Medikamenten-Empfindlichkeit und -Resistenz beim kleinzelligen Bronchialkarzinom unterstützt. Das Projekt erhielt außerdem großzügige Unterstützung von einer Vielzahl nationaler und internationaler Förderorganisationen, darunter die Boehringer Ingelheim Stiftung. Eine vollständige Liste der Förderer ist in der Veröffentlichung zu finden.


    Wissenschaftliche Ansprechpartner:

    Dr. Filippo Beleggia
    Department of Translational Genomics
    Universität zu Köln
    +49 221 478 96703
    filippo.beleggia@uk-koeln.de

    Dr. Elisa Motori
    Institut für Biochemie
    +49 221 478 15343
    elisa.motori@uni-koeln.de


    Originalpublikation:

    https://www.nature.com/articles/s41586-025-09434-9


    Bilder

    Elektronenmikroskopische Aufnahme eines SCLC-Allotransplantats aus einem Mäusegehirn, die einen synaptischen Kontakt zwischen einer Krebszelle (rot) und einem neuronalen Terminal (gelb) zeigt.
    Elektronenmikroskopische Aufnahme eines SCLC-Allotransplantats aus einem Mäusegehirn, die einen syna ...
    Quelle: Chihab, Ndoci und Gaedke
    Copyright: Universität zu Köln


    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten, Wissenschaftler
    Biologie, Medizin
    überregional
    Forschungsergebnisse
    Deutsch


     

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