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Wissenschaft
Die Sichelzellkrankheit (SCD), ursprünglich in Subsahara-Afrika, im östlichen Mittelmeerraum, dem Nahen Osten und Indien verbreitet, entwickelt sich durch die globale Migration auch in Deutschland zu einer gesundheitspolitischen Herausforderung. Zwar haben sich die Behandlungsmöglichkeiten zuletzt deutlich verbessert, jedoch fehlen wissenschaftliche Daten zur Versorgungslage und zu spezifischen Bedürfnissen der Betroffenen. Forschende der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf (HHU) und des Universitätsklinikums Düsseldorf (UKD) wollen dies nun untersuchen und bedarfsgerechte Präventions-Empfehlungen entwickeln. Der Gemeinsame Bundesausschuss (GBA) fördert das Projekt mit 1,1 Millionen Euro.
Die SCD ist eine Erbkrankheit, bei der sich die roten Blutkörperchen unter bestimmten Bedingungen (beispielsweise bei Anstrengung, Kälte, Infektionen) zu „Sichelzellen“ verformen, was zu Durchblutungsstörungen in den Organen führen und mit starken Schmerzen einhergehen kann. Langfristig können eine chronische Blutarmut und dauerhafte Organschäden entstehen. Die Lebenserwartung ist deutlich reduziert und die Lebensqualität und gesellschaftliche Teilhabe sind häufig eingeschränkt. Besonders für Kinder ist eine konsequente Vorsorge und Therapie entscheidend, um schwere Folgen wie psychische Erkrankungen, Nierenversagen, Schlaganfälle oder Herz-Lungenerkrankungen zu verhindern.
Weltweit werden jährlich etwa 500.000 Kinder mit SCD geboren, in Deutschland sind es jährlich rund 150 Neugeborene, mit steigender Tendenz. Trotz deutlicher Verbesserung der Behandlungsmöglichkeiten der SCD in Deutschland und obwohl eine Leitlinie besteht, sind viele Betroffene nicht ausreichend präventiv versorgt und entwickeln schwere Verläufe. Die Gründe hierfür sind jedoch noch unklar. Daten aus anderen Ländern deuten darauf hin, dass soziale Rahmenbedingungen und strukturelle Hürden im Gesundheitssystem die Versorgungsqualität und den Verlauf der Erkrankung negativ beeinflussen.
Genau hier setzt die nicht-interventionelle Mixed-Methods-Studie SiKiCare („Versorgungssituation von Kindern und Jugendlichen mit Sichelzellkrankheit im Deutschen Gesundheitssystem: Identifikation präventiver Ansätze“) an. Unter der Leitung von Dr. med. Sonya El Amouri aus der Klinik für Kinder-Onkologie, -Hämatologie und Klinische Immunologie (Direktor: Prof. Dr. Arndt Borkhardt) und zusammen mit Prof. Dr. Nico Dragano, Direktor des Instituts für Medizinische Soziologie, entsteht das Konsortialprojekt in Partnerschaft mit mehreren Institutionen deutschlandweit. So sind unter anderem die Charité Universitätsmedizin Berlin, die Interessengemeinschaft Sichelzellkrankheit und Thalassämie e.V. und das Robert-Koch-Institut beteiligt.
Die Forschenden wollen betroffene Kinder und ihre Sorgeberechtigten befragen und die Angaben mit Daten der gleichaltrigen Allgemeinbevölkerung aus Kindergesundheitsstudien des Robert Koch-Instituts vergleichen. Außerdem werden Interviews mit betreuenden Fachkräften wie Pflegekräfte, Ärztinnen und Ärzte und aus dem psychosozialen Bereich geführt. Ziel der Studie ist es, erstmalig für Deutschland die Versorgungssituation von Kindern und Jugendlichen mit Sichelzellkrankheit zu beschreiben und gezielt Parameter einer bedarfsgerechten, präventiven Versorgung zu identifizieren. Auf dieser Basis sollen empirisch fundierte Empfehlungen für konkrete Maßnahmen zur Verbesserung der Versorgungssituation entwickelt werden.
„Kinder mit seltenen chronischen Erkrankungen haben immer besondere Bedürfnisse, die berücksichtigt werden müssen,“ so Dr. El Amouri. „Bei der Sichelzellkrankheit kommt hinzu, dass es sich bei den Betroffenen um Menschen mit Migrationshintergrund, nicht selten mit Fluchtgeschichten, handelt. Die sozioökonomische Situation der Betroffenen und eine möglicherweise unzureichende Aufklärung der behandelnden Fachkräfte über verschiedene Bedürfnisse stellen eine besondere Herausforderung dar. Wir erhoffen uns von der Studie, konkrete Lücken zu identifizieren, an denen wir bei der Verbesserung der präventiven Versorgung in Zukunft ansetzen können, um die Gesundheit dieser Kinder zu verbessern.“
Prof. Dragano erhofft sich weitere Einblicke: „Studien zur Versorgung seltener Erkrankungen können wichtige Impulse für eine bessere Behandlung geben – im Sinne der Kinder, aber auch im Sinne einer optimalen Verwendung der knappen Mittel im Gesundheitssystem. Auch wenn es hier um eine spezielle Erkrankung geht, können wir an diesem Beispiel auch Anhaltspunkte für die Lösung von Versorgungsproblemen bei anderen seltenen Erkrankungen des Kindesalters gewinnen.“
Der GBA fördert das Projekt künftig mit Mitteln des Innovationsfonds zur Förderung von Versorgungsforschung in Höhe von 1,1 Millionen Euro.
Die Studie entsteht in Partnerschaft mit der Charité Universitätsmedizin Berlin, der DAK-Gesundheit, dem Gemeinschaftsklinikum Mittelrhein, dem GPOH Konsortium Sichelzellkrankheit, der Interessengemeinschaft Sichelzellkrankheit und Thalassämie e.V., dem Klinikum Dortmund, dem Robert-Koch Institut, dem Universitätsklinikum Aachen, dem Universitätsklinikum Essen, dem Universitätsklinikum Hamburg- Eppendorf und dem Universitätsklinikum Ulm.
Dr. Sonya El Amouri
Prof. Dr. Nico Dragano
Dr. Sonya El Amouri, Funktionsoberärztin in der Klinik für Kinder-Onkologie, -Hämatologie und Klinis ...
Copyright: Privat
Prof. Dr. Nico Dragano, Direktor des Instituts für Medizinische Soziologie.
Copyright: UKD
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten
Gesellschaft, Medizin
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Forschungsprojekte
Deutsch
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