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22.09.2025 10:06

Hummeln bestäuben Lindenblüten seit 24 Millionen Jahren

Alexandra Frey Öffentlichkeitsarbeit
Universität Wien

    Fossilien belegen uralte Bestäuber-Pflanzen-Interaktion

    Ein internationales Forschungsteam unter Leitung des Departments für Botanik und Biodiversitätsforschung an der Universität Wien, hat eine außergewöhnliche Entdeckung gemacht: In 24 Millionen Jahre alten Sedimenten der Fossil-Lagerstätte Enspel (Rheinland-Pfalz, Deutschland) wurden sowohl fossile Lindenblüten als auch fossile Hummeln gefunden – samt Nachweis ihrer Interaktion durch erhaltene Pollenkörner. Diese Erkenntnisse zeigen, dass Hummeln bereits vor Millionen Jahren zu den wichtigsten Bestäubern der Linde gehörten – so wie auch heute noch. Angesichts des aktuellen globalen Insektensterbens und des Rückgangs von Bestäubern wie Wildbienen wird es immer wichtiger, die Ursprünge und die Entwicklung der Blütenbestäubung zu verstehen. Die Ergebnisse der Studie erscheinen im Fachjournal New Phytologist.

    "Wir haben Hunderte, gar Tausende, fossile Blüten und Insekten auf Pollen untersucht, in der Hoffnung einen Einblick in die Evolution von Blüten, Blütenbesucher und Bestäubung zu gewinnen", erklärt Friðgeir Grímsson, Projektleiter und Letztautor in der Abteilung für Strukturelle und Funktionelle Botanik der Universität Wien.

    Alte Fossilien – neue Methoden

    Diese mikroskopisch kleinen Pollenkörner wurden mithilfe von UV- und Blaulicht sichtbar gemacht und anschließend mit einer sehr kleinen und feinen Nadel minimalinvasiv, einzeln oder in Klumpen, aus Blüten oder dem Haarkleid der Insekten entnommen. Nach der vorsichtigen Reinigung der Pollenkörner erfolgte die Analyse mittels hochauflösender Licht- und Elektronenmikroskopie. Das Ergebnis der Pollenstudie: Einige der untersuchten Blüten stammen von der Linde, und zahlreiche Hummeln hatten Lindenblüten besucht, bevor sie in einem ehemaligen Vulkankratersee ein Ende gefunden hatten und zu Fossilien wurden.

    Drei neue Arten beschrieben

    "Die neu entdeckten Lindenblüten wurden auf den Namen Tilia magnasepala getauft, also die Linde mit den großen Kelchblättern," erklärt Christian Geier, Erstautor und Doktorand von der Abteilung für Strukturelle und Funktionelle Botanik der Universität Wien. Auch zwei neue Hummelarten wurden benannt: Bombus (Kronobombus) messegus und Bombus (Timebombus) paleocrater. Ihre Namen verweisen auf deren hohes Alter, deren morphologischen Merkmalen und auf den Fundort. Gefunden wurden die Fossilien im Rahmen von Ausgrabungen in den Seesedimenten des ehemaligen Vulkansees bei Enspel in Rheinland-Pfalz.

    Erstmals fossile Blüten und ihre Bestäuber aus denselben Sedimenten beschrieben

    Die beschriebenen Lindenblüten sind die ersten ihrer Art vom Europäischen Kontinent, die nach palynologischen Kriterien – also der Wissenschaft des Pollens – erfasst und beschrieben wurden. Die fossilen Hummeln gehören zu den ältesten Vertretern ihrer Gattung, nur eine Art aus Colorado (USA) ist älter. "Dies ist das weltweit erste Mal, dass eine fossile Blüte und ihre bestäubenden Bienen aus denselben Sedimenten beschrieben und mithilfe von Pollen direkt miteinander verknüpft werden konnten. Diese Art der Forschung hat großes Potential unser Wissen über Bestäuber der Vergangenheit zu beleuchten", fasst Geier zusammen.

    Von der Vergangenheit für die Zukunft lernen

    Der Fossilbericht liefert Einblicke in dynamische Entwicklungen der Vergangenheit: Veränderungen durch Klimawechsel, Artensterben und evolutionäre Anpassungen.
    Die Analyse fossiler Tier- und Pflanzengruppen erlaubt Rückschlüsse auf ihr Verhalten und ihrer Reaktionen auf Umweltveränderungen. "In unserer Studie konnten wir bei den untersuchten Hummeln eine gewisse Blütentreu erkennen. Das heißt, dass sie innerhalb eines Fluges nur eine Art von Pflanze besuchen", erklärt Geier. "Erkenntnisse wie diese sind wichtig, um das feine Zusammenspiel und die Widerstandsfähigkeit heutiger Ökosysteme besser zu verstehen."

    Die Studie wurde unter Leitung der Universität Wien in Zusammenarbeit mit Expert*innen aus Deutschland (Senckenberg Forschungsinstitut und Naturmuseum und Hessisches Landesmuseum Darmstadt) und den USA (American Museum of Natural History) durchgeführt und erfolgte im Rahmen des FWF-Projektes "Korreliert in-situ Pollen fossiler Blüten mit Insekten?/Flower Power: can in-situ pollen link fossil plants to floral visitors? (FWF-Projekt P 34303-B)".


    Wissenschaftliche Ansprechpartner:

    Friðgeir Grímsson, Privatdoz. MSc PhD
    Department für Botanik und Biodiversitätsforschung
    Universität Wien
    1030 Wien, Rennweg 14
    +43-1-4277-540 10
    fridgeir.grimsson@univie.ac.at
    www.univie.ac.at


    Originalpublikation:

    Christian Geier, Michael S. Engel, Johannes M. Bouchal, Silvia Ulrich, Jürg Schönenberger, Dieter Uhl, Torsten Wappler, Sonja Wedmann, Loup Boudet, Friðgeir Grímsson: 24 million years of pollination interaction between European linden flowers and bumble bees. In New Phytologist, 2025.
    DOI: 10.1111/nph.70531
    https://nph.onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1111/nph.70531


    Weitere Informationen:

    https://www.univie.ac.at/aktuelles/press-room/pressemeldungen/detail/hummeln-bes...


    Bilder

    Die neu entdeckte, fossile Lindenblüte Tilia magnasepala.
    Die neu entdeckte, fossile Lindenblüte Tilia magnasepala.

    Copyright: Christian Geier


    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten, Wissenschaftler
    Biologie, Tier / Land / Forst, Umwelt / Ökologie
    überregional
    Forschungs- / Wissenstransfer, Forschungsergebnisse
    Deutsch


     

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