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01.10.2025 14:37

Schon in der frühen Jungsteinzeit diversifizierten Bauern den Getreideanbau

Eva Schissler Kommunikation und Marketing
Universität zu Köln

    Landwirtschaftliche Innovationen machten die Lebensmittelversorgung im Rheinland resilienter und flexibler / Veröffentlichung im „Journal of Archaeological Science“

    Ein interdisziplinäres Forschungsprojekt zur Entwicklung der frühesten Landwirtschaft zeigt, dass bäuerliche Gesellschaften bereits vor knapp 7000 Jahren begannen, neue Getreidesorten in ihr Kulturpflanzenspektrum zu integrieren. Ein Forschungsteam unter der Leitung von Professorin Dr. Silviane Scharl, Dr. Astrid Röpke (beide vom Institut für Ur- und Frühgeschichte der Universität zu Köln) und Professorin Dr. Astrid Stobbe (Goethe-Universität Frankfurt am Main) erarbeitete tiefere Einblicke in die zugrundeliegenden Prozesse und definierte einen genaueren Zeitrahmen dieser Innovationen in der Landwirtschaft. Die Ergebnisse der Studie „Dynamics of early agriculture – multivariate analysis of changes in crop cultivation and farming practices in the Rhineland (Germany) between the 6th and early 4th millennium BCE“ sind im Journal of Archaeological Science erschienen.

    Die Studie ist ein Ergebnis des von der Deutschen Forschungsgemeinschaft geförderten, interdisziplinären Forschungsprojekts „Diversifizierung und Wandel. Untersuchungen zu Besiedlung und Landwirtschaftspraktiken im 5. Jt. v. Chr. im zentralen Mitteleuropa“, an dem Wissenschaftler*innen der Universitäten Köln und Frankfurt der Disziplinen prähistorische Archäologie, Archäobotanik, Vegetationsgeschichte, Archäozoologie und Dendroarchäologie beteiligt sind.

    Die ersten Bauern in Mitteleuropa gehörten der sogenannten Linearbandkeramischen Kultur an und bevölkerten den Kontinent um circa 5400-5000/4900 v. Chr. Sie kultivierten fast ausschließlich die Urweizenarten Emmer und Einkorn, beides Spelzgetreide. Beim Entspelzen muss das Getreidekorn vor der Weiterverarbeitung von der äußeren Hülle befreit werden. Bisher war bekannt, dass neue Getreidesorten wie Nacktweizen (hier entfällt das Entspelzen) und Gerste im Verlauf der Jungsteinzeit, genauer während des sogenannten Mittelneolithikums (ca. 4900 bis ca. 4500 v. Chr.) eingeführt wurden, wobei der zeitliche Rahmen und die genauen Prozesse bisher nicht bekannt waren.

    Um diese Prozesse auf regionaler Ebene besser zu verstehen, hat das Forschungsteam Daten zu archäobotanischen Makroresten aus 72 neolithischen Fundstätten im Rheinland (Deutschland) gesammelt und ausgewertet. Die Proben bestehen aus verkohlten Resten von Sämereien und datieren aus der Zeit vom späten 6. bis zum frühen 4. Jahrtausend v. Chr. Sie wurden aus Siedlungsgruben der jungsteinzeitlichen Bauern geborgen.

    Mithilfe multivariater Statistiken konnte gezeigt werden, dass es signifikante Unterschiede zwischen den neolithischen Phasen gibt. Überraschenderweise ergab die Studie, dass die für das Mittelneolithikum charakteristischen landwirtschaftlichen Veränderungen bereits zu Beginn dieser Periode erkennbar waren. „Die Integration neuer Getreidearten machte die Landwirtschaft resilienter und flexibler. Sie ermöglichte nicht nur den Anbau von Winter-, sondern auch von Sommerkulturen und die potenzielle Nutzung einer größeren Vielfalt von Böden sowie eine mögliche Verringerung des Arbeitsaufwands“, sagt Professorin Scharl.

    Eine stetige Zunahme der Getreidevielfalt wurde auch durch eine Diversitätsanalyse nachgewiesen. Diese Analyse zeigt, dass die steinzeitlichen Bauern die größte Diversität im Anbauspektrum um 4350 v. Chr. erreichten. Danach geht sie wieder deutlich zurück, was auf eine erneute Transformation des Agrarsystems hindeutet, die Gegenstand weiterer Forschung ist. Einige Anzeichen deuten darauf hin, dass in der Folgezeit die Viehwirtschaft, vor allem die Rinderhaltung, zugenommen hat.

    Die aktuelle Studie verdeutlicht, dass jungsteinzeitlichen Bauern im Laufe der Zeit landwirtschaftliche Techniken und Praktiken entwickelten, die es ihnen erlaubten, sehr flexibel auf regionale und sich wandelnde Umweltbedingungen zu reagieren. In Regionen mit schwierigeren Umweltbedingungen wurden Getreidearten angebaut, die auch unter diesen Bedingungen einen Ertrag lieferten. Das zeugt von einer tiefen Kenntnis der Umwelt, an die die Bauern ihre Strategien zur Nahrungsmittelproduktion anpassten.


    Wissenschaftliche Ansprechpartner:

    Professorin Dr. Silviane Scharl
    +49 221 470 2883
    sscharl@uni-koeln.de


    Originalpublikation:

    https://doi.org/10.1016/j.jas.2025.106369


    Bilder

    Verkohlte Emmerkörner aus einem Vorratsfund einer   linearbandkeramischen Siedlung bei Werl, Nordrhein-Westfalen.
    Verkohlte Emmerkörner aus einem Vorratsfund einer linearbandkeramischen Siedlung bei Werl, Nordrhe ...
    Quelle: Tanja Zerl
    Copyright: Tanja Zerl, Universität zu Köln


    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten, Lehrer/Schüler, Studierende, Wissenschaftler, jedermann
    Geschichte / Archäologie, Umwelt / Ökologie
    überregional
    Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
    Deutsch


     

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