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06.11.2025 08:36

Klimawandel in den Alpen: schnell und gefährlich

Jochen Bettzieche Medienkontakt WSL-Institut für Schnee- und Lawinenforschung SLF, Davos
Eidgenössische Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft WSL

    Forschende des SLF gehen zahlreichen Folgen des Klimawandels in den Alpen nach, damit die Menschen dort sich darauf vorbereiten können. Denn die stehen vor grossen Herausforderungen. Ihr Lebensraum verändert sich rasant.

    Klimawandel mit Turbo: In den Alpen, mitten in Europa, steigen die Temperaturen doppelt so schnell wie im globalen Durchschnitt. Gletscher schmelzen, Berge bröckeln, Tier- und Pflanzenwelt verändern sich. Mitten im Geschehen erforschen Wissenschafterinnen und Wissenschafter des SLF in Davos, welche Prozesse dabei ablaufen – und worauf sich die Menschen in den Bergen einstellen müssen. Eine Übersicht über aktuelle Forschung des SLF und deren Ergebnisse zu:

    Alpine Naturgefahren

    Der Klimawandel intensiviert vielerorts Naturgefahren in den Bergen und stellt den Alpenraum damit vor besondere Herausforderungen. Das geht aus einer Studie hervor, die SLF-Permafrost-Experte Samuel Weber und Glaziologin Mylène Jacquemart von der WSL und ETH Zürich gemeinsam koordiniert haben. Das internationale Team hat mehr als dreihundert wissenschaftliche Arbeiten aus den vergangenen drei Jahrzehnten ausgewertet. Daher gehen die Forschenden davon aus, dass Steinschläge, Murgänge und Bergstürze häufiger werden. «Dieser Wandel stellt die Gesellschaft im Alpenraum vor grosse Herausforderungen», betonen Jacquemart und Weber.


    Permafrost

    Die Temperaturen des Permafrosts nehmen in ganz Europa in den Gebirgsregionen stark zu. Die grösste Erwärmung beobachten Forschende an den höchstgelegenen und nördlichsten Standorten – teilweise in zehn Metern Tiefe um mehr als 1 Grad° Celsius in den vergangenen zehn Jahren. Belegt haben das mehr als zwanzig Permafrost-Forschende unter der Leitung der SLF-Wissenschafterin Jeannette Nötzli. 64 Messreihen aus neun europäischen Ländern von Spitzbergen im hohen Norden über die Alpen bis zur Sierra Nevada in Südspanien haben sie dafür gesammelt und ausgewertet. Das Ergebnis präsentieren sie in einer Studie . In Berggebieten führt das zu einer Zunahme von Naturgefahren wie Felsstürzen und Murgängen.

    Schneemengen

    Minus acht Zentimeter pro Jahrzehnt: In manchen Höhenlagen der Schweizer Alpen ist die durchschnittliche Schneehöhe zwischen November und April in den vergangenen Jahrzehnten deutlich kleiner geworden. Das belegen neue Resultate aus dem Projekt SPASS (SPatial Snow climatology for Switzerland), bei dem Forschende des SLF an Hand eines Modells die zeitliche und räumliche Entwicklung der Schneedecke in der Schweiz seit 1962 simuliert haben. «Wir sehen hier ganz klar die Folgen des Klimawandels», sagt Christoph Marty, Klimatologe am WSL-Institut für Schnee- und Lawinenforschung SLF in Davos.

    Bergfrühling und Biodiversität

    Pflanzen spriessen immer früher aus der Erde, sobald der Schnee weg ist – im Schnitt sechs Tage früher als noch vor 25 Jahren. «Im Durchschnitt ist die Umgebungstemperatur nach dem Verschwinden der Schneedecke in Folge des Klimawandels um fast zwei Grad wärmer als noch vor 25 Jahren», erklärt SLF-Forscher Michael Zehnder. Dadurch werde sich die Biodiversität in den Alpen verändern. Fehlt die isolierende Schneedecke im Frühjahr, können Böden zudem stärker durchfrieren und Pflanzen sind extremeren Temperaturen ausgesetzt. Spätfröste können sich dann beispielsweise negativ auf den Ertrag an Heidelbeeren auswirken.

    Höheren Wohnlagen für Murmeltiere

    Murmeltiere ziehen wegen des Klimawandels um – aber nicht weit. Das geht aus einer Studie der SLF-Biologin Anne Kempel hervor. Sie hat untersucht, in welcher Höhenlage sich Murmeltiere derzeit überwiegend aufhalten, und ihr Ergebnis mit Daten aus dem Jahr 1982 verglichen. Ihre Vermutung: Wegen der vom Klimawandel verursachten, wärmeren Temperaturen wandern die Tiere in höhere Lagen. «Das stimmt so aber nur bedingt», sagt die Forscherin.

    Hitze in Berggewässern

    Die Wassertemperaturen in europäischen Berggewässern steigen seit Jahrzehnten. Der Klimawandel gefährdet damit Wasserqualität, Fische, Industrie- und Stromproduktion – und hält der Trend an, werden ökologische Kippunkte erreicht. Klar ist: Die in Zeiten des Klimawandels immer wärmer werdende Luft erwärmt auch Fliessgewässer. Aber das ist nicht der einzige, wichtige Effekt. Bei extremen Wassertemperaturen spielen Bodenfeuchtigkeit, Grund- und Schmelzwasser ebenfalls eine Rolle. SLF-Hydrologin Amber van Hamel hat Zeitreihen aus 177 Gewässern und deren Einzugsgebieten in den Alpen, den Pyrenäen, dem französischen Zentralmassiv und den Bergen Skandinaviens untersucht : «Die Zahl von Extremereignissen ist deutlich gestiegen.»

    Ein ganzes Magazin voll Klimawandel

    In der Sommerausgabe 2025 des Magazins DIAGONAL informieren WSL und SLF steht ganz im Zeichen des Klimawandels und der damit verbundenen Naturgefahren.


    Originalpublikation:

    https://www.slf.ch/de/news/klimawandel-in-den-alpen-potenziell-bedrohlich/


    Weitere Informationen:

    https://www.slf.ch/de/news/klimawandel-fuehrt-zu-mehr-alpinen-gefahren/ Mehr über alpine Naturgefahren
    https://www.nature.com/articles/s41467-024-54831-9 Mehr über Permafrost
    https://www.slf.ch/de/news/bergfruehling-beginnt-immer-frueher/ Mehr über den Bergfrühling
    https://www.slf.ch/de/news/klimawandel-laesst-murmeltiere-vorerst-kalt/ Mehr über Murmeltiere
    https://agupubs.onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1029/2024WR037518 Mehr über Hitze in Berggewässern


    Bilder

    Mitten in der Hochsaison am 27.12.2022 lag das Skigebiet am Kaiseregg im Grünen.
    Mitten in der Hochsaison am 27.12.2022 lag das Skigebiet am Kaiseregg im Grünen.
    Quelle: Franz Thalmann


    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten
    Umwelt / Ökologie
    überregional
    Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
    Deutsch


     

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