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Wissenschaft
Jede Million Euro, die für die Metrologie-Forschung ausgegeben wird, erzeugt mehr als vier Millionen Euro Umsatz für die europäische Wirtschaft. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie von EURAMET, dem Dachverband der europäischen Metrologie-Institute.
Die Metrologie, die Wissenschaft des Messens, ist ein Eckpfeiler der modernen Gesellschaft und gewährleistet Präzision in allen Bereichen – von der fortschrittlichen Fertigung über saubere Energie bis hin zur Krebsbehandlung. Es ist aber vor allem ihr wirtschaftlicher Nutzen, der im Fokus des EURAMET-Reports „Quantifying the economic benefit resulting from EURAMET’s metrology research programmes“ steht.
„Als größtes Metrologie-Institut Europas ist es unsere zentrale Mission, die Wettbewerbsfähigkeit unserer Industrie zu stärken“, erklärt Dr. Annette Röttger, Mitglied des Präsidiums der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt (PTB). „Das geht nicht mehr allein. Angesichts der geballten Wirtschaftskraft in China und den USA werden wir in Europa nur gemeinsam erfolgreich sein.“ Teile der dafür nötigen Forschung werden durch die Europäische Union finanziert. „Wir bekommen Mittel aus dem europäischen Forschungsprogramm ‚European Partnership on Metrology‘. Rund zehn Millionen Euro fließen auf diesem Weg jährlich nach Deutschland, ein Teil davon direkt zur PTB. Für die europäische Union ist das ein eher kleiner Betrag, doch es ist klug investiertes Geld mit einer enormen Hebelwirkung.“
Die Ergebnisse des EURAMET-Reports basieren auf den Daten bereits abgeschlossener Forschungsprogramme der Jahre 2009 bis 2022 (EMRP und EMPIR). Nach den Ergebnissen dieser Studie beläuft sich der durchschnittliche zurechenbare Wirtschaftsumsatz pro Jahr in diesem Zeitraum auf 179 Millionen Euro. Im Durchschnitt erhielt jedes Aufforderungsjahr 42,5 Millionen Euro an EU-Mitteln. Das bedeutet, dass jede Million Euro EU-Fördermittel mehr als vier Millionen Euro Umsatz für die Wirtschaft durch den Verkauf neuer oder verbesserter Produkte und Dienstleistungen generiert hat. Die zurzeit laufende Europäische Partnerschaft für Metrologie von EURAMET ist noch nicht berücksichtigt.
An zahlreichen Forschungskooperation im untersuchten Zeitraum war die PTB federführend beteiligt. Anhand der im Folgenden vorgestellten vier Projekte wird exemplarisch deutlich, wie sehr deutsche Innovationsfähigkeit aus Erfolgen der Metrologie-Forschung schöpft: Dort wo die Grenze des Messbaren verschoben wird, kann man Neues fertigen, neue Produkte entwickeln und so Lösungen für die großen Herausforderungen unserer Zeit bereitstellen. Für die Wettbewerbsfähigkeit und technologische Souveränität Europas erbringt die PTB ihren Beitrag Powered by Metrology!
Deutsche Erfolgsgeschichten der Europäischen Partnerschaft für Metrologie
1. Sicherheit für Implantat-Träger beim MRT (EMPIR 17IND01, 2018-2021)
Hintergrund des Projekts MIMAS (Medical Implant Manufacturers' Safety procedures) war eine neue Generation von Sicherheitsstandards und Methoden für die Patientensicherheit in der Magnetresonanz-Tomografie (MRT). Gemeinsam mit Partnern aus der Industrie ist es der PTB gelungen, ein Softwarewerkzeug zu entwickeln, das von der US-amerikanischen Food and Drug Administration als erstes computergestütztes Medizinprodukte-Entwicklungstool (Medical Device Development Tool) anerkannt wurde. Es hat vielfachen Nutzen: Viele europäische Hersteller medizinischer Implantate profitieren von der Software, weil sie mit ihrer Hilfe die Einhaltung von MRT-Sicherheitsvorschriften nach aktuellen Standards nachweisen können. Weiterhin wurden im Projekt bisher übersehene Gefahrenquellen für Träger von Implantaten identifiziert und untersucht. Diese Ergebnisse sind in aktuelle Standards eingeflossen und helfen Herstellern, eine verbesserte Evaluierung der MR-Sicherheit durchzuführen. Und nicht zuletzt werden MRT-Untersuchungen für Träger von Metallimplantaten deutlich einfacher und sicherer.
2. Verbesserung der Zuverlässigkeit von Windenergieanlagen (EMRP ENG56 DriveTrain, 2014-2017)
Komponenten von Windenergieanlagen sind groß und hohen Kräften ausgesetzt. Für eine lange Haltbarkeit und entsprechend hohe Effizienz müssen solche Bauteile exakt gefertigt werden. Dies gilt vor allem für die Getriebekomponenten wie die verbauten Zahnräder, Lager und Wellen. Allerdings fehlten den Herstellern zuverlässige Verfahren, die geforderten Fertigungsgenauigkeiten auch messtechnisch nachzuweisen und damit sicherzustellen.
Im Rahmen des EMRP-Projekts „Rückführbare Messung von Antriebskomponenten für erneuerbare Energiesysteme” wurden Kalibrierverfahren und werkstückähnliche Normale für die großen Getriebestrangkomponenten entwickelt, die es den Herstellern ermöglicht haben, die Zuverlässigkeit der Fertigung dieser Großbauteile zu erhöhen.
Mit den Projektergebnissen gelang es u. a. den beiden Projektpartnern Hexagon Manufacturing Intelligence und Zeiss Industrial Quality Solutions, zwei führenden Anbietern im Bereich der Koordinatenmesstechnik in Deutschland, weiterhin internationale Führungspositionen einzunehmen. Die durch das Projekt ermöglichte metrologische Rückführung für große Getriebebauteile führt zu einer verbesserten Qualität und Zuverlässigkeit der hergestellten Komponenten. Dies wird höhere Renditen aus Windenergieanlagen ermöglichen, den Ausbau dieser Art der CO2-freien Stromerzeugung unterstützen und den EU-Staaten helfen, ihre Verpflichtungen im Bereich der erneuerbaren Energien zu erfüllen.
3. OPTICLOCK – Transportable optische Quantenuhr (EMPIR 17FUN07, CC4C)
Höchstpräzise Uhren sind eine der ersten und prominentesten Anwendungen der Quantentechnologie. Dafür haben PTB-Forschende gemeinsam mit internationalen Partnern im EMPIR-Projekt Coulomb Crystals for Clocks lasergekühlte Ionen für optische Uhren untersucht. Die im Rahmen des Projekts entwickelte Ionenfalle ist ein zentraler Baustein der „Opticlock“ – einer optischen Uhr für Anwender entwickelt in einem vom BMBF geförderten Verbundprojekt koordiniert von PTB und der TOPTICA Photonics AG. „Unser Ziel war es, zu zeigen, dass es möglich ist, eine optische Uhr in zwei Schränken aufzubauen und sie so gut bedienbar zu machen, dass auf Dauer keine Spezialisten dafür nötig sind“ erklärt Dr. Nils Huntemann.
Aktuell nutzt er den Demonstrator im Rahmen des Partnership-Projekts Transportable Optical Clocks for Key Comparisons (22IEM01, TOCK). Dabei profitiert er davon, dass die Uhr nicht nur gut bedienbar, sondern auch robust im Betrieb und sehr präzise in der Messung ist. Mittlerweile bietet die TOPTICA Photonics AG, die weltweit als Anbieter von High-End-Lasern und Laser-Rack-Systemen bekannt ist, basierend auf dem Opticlock-System eine Komplettlösung für die Quantentechnologie an: eine Weiterentwicklung namens TOTPICLOCK, die weltweit erste kommerziell verfügbare optische Uhr mit gespeicherten Ionen. Eine fertige Uhr wurde bereits an der PTB charakterisiert und nach Österreich verkauft, der Bau einer zweiten steht bevor.
4. Bereitstellung der Konnektivität für aktuelle und neue Mobilfunkanwendungen (EMPIR 18SIB09, TEMMT, 2019-2022)
Nahezu die gesamte Telekommunikation nutzt derzeit den Hochfrequenzteil des elektromagnetischen Spektrums. Neue Entwicklungen wie autonome Fahrzeuge, 6G und das Internet der Dinge erfordern jedoch immer größere Bandbreiten. Ein nicht ausreichend genutzter Teil des Spektrums, das sogenannte "E-Band", bietet eine Lösung. Um dessen Vorteile effizient zu nutzen, waren jedoch sowohl eine Rückführbarkeit der Messungen auf das internationale Einheitensystem als auch eine robuste Konnektivität in Form eines genormten Verbinders (Interface) erforderlich.
Diese Chance wurde um 2017 von den deutschen Unternehmen Rosenberger, SPINNER, Rohde & Schwarz sowie der PTB erkannt. Nach erfolgreich durchgeführten Vorarbeiten beim Entwurf eines robusten E-Band-Verbinders und der metrologischen Rückführung hat dieses Thema auch Einzug in das europäische TEMMT-Projekt gehalten. In diesem Vorhaben haben europäische Metrologie-Institute die metrologische Rückführung entwickelt und ihr Knowhow anschließend bei der Formulierung der neuen internationalen Normen IEEE 287.1-2021 und IEC 61169-65:2021 eingebracht.
Der E-Band-Verbinder wurde innerhalb Europas von vielen Herstellern von Hochfrequenzmesstechnik und Zubehör übernommen. Allein in der PTB sind seit Einführung der Kalibriedienstleistungen ca. 20 Kunden-Kalibrierungen für Transfernormale durchgeführt worden, um rückgeführte und genaue Messungen zu ermöglichen.
Dr. Annette Röttger, Mitglied des PTB-Präsidiums und des Direktoriums von EURAMET e. V., Tel.: (0531) 592-3000, E-Mail: annette.roettger@ptb.de
https://www.poweredbymetrology.org/securedl/sdl-eyJ0eXAiOiJKV1QiLCJhbGciOiJIUzI1... Der EURAMET-Report als PDF
Zuverlässigkeit von Windenergieanlagen: Das Groß-Koordinatenmessgerät in der PTB hat ein Messvolumen ...
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„Opticlock“: Die optische Uhr passt in zwei Stahlschränke, samt Laseraufbauten, Ionenfalle, optisch ...
Copyright: PTB
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten, jedermann
Energie, Informationstechnik, Medizin, Physik / Astronomie
überregional
Forschungsergebnisse, Wissenschaftspolitik
Deutsch

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